Was ist Pranayama? – Ursprung und Ziel

Bild von einer Brust mit Omkara Symbol um das die Atmung und insbesondere Pranayama zu symbolisieren.

Pranayama, zusammengesetzt aus den Sanskrit-Wörtern „Prana“ (Lebensenergie) und „Ayama“ (Erweiterung), ist die Kunst der Atemkontrolle. Im Yoga ist die Atmung weit mehr als nur eine physiologische Funktion; sie ist das Tor zu körperlicher Vitalität und geistiger Klarheit. Pranayama hilft, den Atem zu regulieren und bewusst zu steuern, wodurch Lebensenergie durch den Körper fließt und Blockaden gelöst werden. Die Atmung wird dadurch gleichmäßiger und intensiver, was insbesondere in stressreichen Situationen innere Ruhe und Balance schenkt.

Da Pranayama-Kontrolle über Atem und Energiefluss erfordert, ist es wichtig, die Übungen aufbauend und mit Verständnis für ihre Wirkung zu praktizieren. Grundsätzlich wird Pranayama nach körperlichen Übungen (Asanas) und reinigenden Praktiken (Shatkarmas) durchgeführt und vor Meditation angewendet, um das Bewusstsein auf die inneren Ebenen vorzubereiten.

 

Der richtige Zeitpunkt und die richtige Haltung für Pranayama

Pranayama kann zu verschiedenen Tageszeiten praktiziert werden, besonders wirkungsvoll sind jedoch die frühen Morgenstunden und der Abend, wenn der Geist ruhig und das Bewusstsein empfänglich ist. Die Haltung spielt bei der Praxis eine wichtige Rolle. Der Rücken sollte stets aufrecht sein, um den Fluss der Energie (Prana) entlang des Hauptenergiekanals (Sushumna) zu ermöglichen. Es ist wichtig, während der Übungen in Ruhe zu verweilen und den Körper nicht zu bewegen, da dies die Atemkontrolle und die Fokussierung stören könnte.

Ein weiteres essenzielles Prinzip: Pranayama sollte nur so lange geübt werden, wie keine Unannehmlichkeiten auftreten. Lasse Dir beim Aufbau der Übungen Zeit, damit Dein Körper und Geist sich allmählich an die Intensität und Wirkung der Atemtechniken gewöhnen können.

Wesentliche Begriffe im Pranayama – Ein Überblick

Um Pranayama besser zu verstehen, sind die folgenden Begriffe hilfreich:

  • Pooraka – Einatmen

  • Rechaka – Ausatmen

  • Kumbakha – Luft anhalten

    • Antar Kumbakha – Die Luft nach dem Einatmen anhalten

    • Bahir Kumbakha – Die Luft nach dem Ausatmen anhalten

  • Ida – Linker Nasenflügel (Kälte, Mondenergie, Gedankenkraft, Weiblichkeit)

  • Pingala – Rechter Nasenflügel (Wärme, Sonnenenergie, Körperkraft, Männlichkeit)

  • Sushumna – Hauptenergiekanal, der entlang der Wirbelsäule verläuft und die beiden Energien von Ida und Pingala vereint

  • Prana – Lebensenergie, die durch Atem und die Energiekanäle (Nadis) im Körper fließt

  • Nadi – Energiekanal im Körper, durch den Prana fließt und die energetischen Funktionen unterstützt

Pranayama aktiviert die Haupt-Energiekanäle Ida und Pingala und leitet die Lebensenergie durch Sushumna, was den Energiefluss harmonisiert und die Vitalität steigert. Indem die Atmung in kontrollierten Zyklen praktiziert wird, kann die Lebensenergie stabilisiert und gleichmäßig im Körper verteilt werden.

  

Die Yoga-Sutras über Pranayama – Die philosophische Grundlage

Pranayama ist tief in den Yoga-Sutras von Patanjali verwurzelt. Hier sind einige der bedeutendsten Verse, die die Essenz und Zielrichtung von Pranayama erläutern:

  • 2.48 Tato Dvandvanabhighatah
    Durch das Beherrschen von Pranayama wird man unabhängiger von äußeren Reizen und nicht mehr von den Sinnen abgelenkt.

  • 2.49 Tasmin Sati Svasa Prasvasayor Gati Vicchedah Pranayamah
    Pranayama bedeutet die bewusste Kontrolle des Atemflusses, eine Praxis, die nach dem Erlernen der Asanas erfolgt und Atemrhythmus mit Atempause kombiniert.

  • 2.50 Bahyabhyantara Stambha Vrttir Desakala Samkhyabhih Paridrsto Dirghasuksmah
    Die vollständige Praxis von Pranayama umfasst Einatmen, Luftanhalten und Ausatmen. Der Atemrhythmus ist dabei von Ort, Dauer und Wiederholung abhängig und entwickelt sich über die Zeit zu einer ruhigen, kontinuierlichen Praxis.

  • 2.51 Bahyabhyantara Visayaksepi Caturthah
    Die vierte Art des Pranayama wird durch Konzentration auf ein äußeres oder inneres Objekt erreicht.

  • 2.52 Tatah Ksiyate Prakasavaranam
    Durch die Vertiefung in die Pranayama-Praxis wird der Schleier gelüftet, der das innere Licht verdeckt.

  • 2.53 Dhanarasu Ca Yogyata Manasah
    Als Ergebnis ist der Geist bereit für tiefe Konzentration und Meditation.

Diese Sutras zeigen, dass Pranayama weit mehr ist als eine Atemübung; es ist ein Weg, die inneren Sinne und das Bewusstsein zu verfeinern und den Geist auf die Meditation vorzubereiten.

Sicherheit und Vorsicht bei der Pranayama-Praxis

Bevor mit den Übungen begonnen wird, empfiehlt es sich, Rücksprache mit einem Arzt oder Yogaexperten zu halten, um sicherzustellen, dass keine gesundheitlichen Risiken bestehen. Wichtig ist es, aufmerksam und achtsam zu üben. Sobald eine Übung unangenehm oder anstrengend wird, ist es besser, eine Pause einzulegen oder die Übung ganz zu beenden. Die regelmäßige und längerfristige Praxis bringt nachhaltige Ergebnisse, wohingegen intensives, aber kurzes Üben oft nur zu Ermüdung führt.


Die wichtigsten Pranayama-Techniken für den Alltag

Hier sind einige der wesentlichen Pranayama-Übungen, die sich positiv auf den Energiefluss und das Wohlbefinden auswirken können:

1. Nadi Shodhana (Wechselatmung)

  • Beschreibung: Wechselseitiges Atmen durch die Nasenlöcher, um die Energiekanäle zu reinigen und das innere Gleichgewicht zu fördern.

  • Ablauf: Schließe den rechten Nasenflügel und atme durch den linken ein. Anschließend schließe den linken Nasenflügel und atme durch den rechten aus. Wechsle nach jedem Atemzug die Seite.

  • Wirkung: Beruhigt das Nervensystem, fördert den Energieausgleich und ist besonders wirksam bei Stress und mentaler Unruhe.

2. Ujjayi (Siegreiches Atmen)

  • Beschreibung: Ujjayi ist eine tiefe, gleichmäßige Atmung mit einem sanften Rauschen im Rachen.

  • Ablauf: Atme tief durch die Nase ein, während Du den Rachen leicht verengst, sodass ein sanftes Geräusch entsteht. Atme kontrolliert und lang aus.

  • Wirkung: Steigert die Konzentration, beruhigt den Geist und fördert das Körperbewusstsein.

3. Kapalabhati (Leuchtender Schädel)

  • Beschreibung: Schnelles, kraftvolles Ausatmen durch die Nase, begleitet von passivem Einatmen.

  • Ablauf: Atme kräftig aus, indem Du die Bauchmuskulatur aktivierst, und lasse die Luft dann passiv wieder einströmen.

  • Wirkung: Reinigt die Atemwege, erhöht die Energie im Körper und hilft, die Durchblutung zu fördern.

4. Bhramari (Bienensummen-Atem)

  • Beschreibung: Erzeuge beim Ausatmen ein summendes Geräusch, das an das Summen einer Biene erinnert.

  • Ablauf: Atme tief ein, verschließe die Ohren mit den Daumen und erzeuge ein sanftes Summen beim Ausatmen.

  • Wirkung: Fördert tiefe Entspannung und beruhigt das Nervensystem, ideal vor dem Schlafengehen.

5. Surya Bhedana (Sonnen-Atem)

  • Beschreibung: Atmen durch das rechte Nasenloch zur Aktivierung der Sonnenenergie (Pingala).

  • Ablauf: Schließe das linke Nasenloch und atme durch das rechte ein. Halte den Atem kurz an und atme dann durch das linke Nasenloch aus.

  • Wirkung: Aktiviert den Körper und gibt neue Energie – ideal für den Start in den Tag.